
Über 450 Weine standen in den Wiesbadener Kurhaus-Kolonnaden zur Verkostung an. Giuseppe Lauria verkostete alle drei Tage Fotograf: Peter Bender
2024: Ein klassisches Jahr mit Finesse und bemerkenswerter Spitze
Große Spätburgunder-Weine aus 2023 von Sebastian Fürst, Julian Huber und K.P. Keller
Feinheit und Konzentration
2024 präsentiert sich besser als erwartet. Die Top-Weine zeigen genau das, was man von einem (noch) „Cool-Climate“-Gebiet erwartet – insbesondere beim Riesling: Finesse, tänzerische Eleganz, eine verspielte, hell leuchtende Frucht, gepaart mit guter Konzentration, vibrierender Frische und Spannkraft. Und – gerade als VDP.Großes Gewächs – sollten sie gemäß dem hohen selbst gesetzten Anspruch Lagen- und Herkunftscharakter zeigen, was einigen Spitzenwinzern gelingt. Gerade in eher kühleren Jahren kommen die Lagen noch besser durch. Für mich ist es ein „klassisches Jahr“ der Moderne – vinifiziert mit dem Know-how von heute. Genau das macht den Jahrgang so besonders. Natürlich zeigt sich 2024 in der Breite heterogen – aber in der Spitze bemerkenswert, vielleicht so sehr wie schon lange nicht mehr. Gerade solche mittelreifen Jahre entpuppen sich oft als besondere Schätze. Trotz der Heterogenität habe ich in der Spitze einige herausragende Weltklasse-Weine verkostet – und entsprechend hoch bewertet.
Nach dem sehr sonnenreichen und trockenen Jahrgang 2022 war 2023 ein insgesamt warmes, aber dank guter Wasserversorgung ausgewogenes Jahr. 2024 dagegen war eher kühl, aber klimatisch durchaus herausfordernd. Wieder ein Jahr der Extreme, das den Winzern alles abverlangte. Trotz “Global Warming” ging es wie früher erstaunlicherweise um den Kampf um Reife. Auf einen kalten Winter folgte ein sehr warmer Frühling mit frühem Austrieb. Dies erhöht allgemein die Gefahr von Spätfrösten, die dann auch in Teilen der Nahe, Saar und im westlichen Teil von Rheinhessen enorme Schäden verursachten. Manche Winzer wie Cornelius Dönnhoff in Oberhausen an der Nahe oder Winzerin Dorothee Zilliken in Saarburg haben bis zu 80 Prozent ihrer Trauben eingebüßt. Der Sommer zeigte sich wechselhaft und regenreich, in manchen Regionen kam auch Hagel hinzu. Also ein eher anspruchsvolles Jahr, das man wohl am ehesten in eine Reihe mit 2001, 2004, 2008, 2013 und 2021 setzen kann, wenngleich jeder Jahrgang individuell zu betrachten ist. So liegt 2024 für mich über 2008 und auch über den 2021ern. An 2008 erinnere ich mich noch sehr gut. Es war mein erstes Jahr als Chefverkoster für Gault Millau im Rheingau. Danach ließ ich mir die Zahnhälse versiegeln. Klar, heute strahlen einige der Top-Weine wie etwa der 2008er Berg Schlossberg von Theresa Breuer. In der Breite war 2008 aber unreifer und ungnädiger in der Säure. 2024 präsentiert sich insgesamt auch besser als den oft zitierten 2021er-Jahrgang, dessen Phenolik und Säurestruktur ich als härter und unbalancierter in Erinnerung habe. „2024 war ein Jahr mit sehr guter Wasserversorgung. Das hat den Weinen nochmal mehr „Schub“ und Aufspiel gegenüber dem 2021er gegeben“, bestätigt Klaus Peter Keller diesen Eindruck. Auch sei der Anteil an Äpfelsäure in 2021 höher gewesen. Und auch Wilhelm Weil findet, dass man bei den 2024ern aufgrund „des hohen Extraktes oft viel Wein im Maul hat.“
Wilhelm Weil bezeichnet 2024 als einen „echten Cool-Climate-Jahrgang”, dem er als „mittelreifes Jahr” viel zutraut. Mit seiner Erfahrung von 40 Jahrgängen zitiert er ebenfalls exakt die oben genannten kühleren Jahre und ist sich sicher, dass der Jahrgang – wie viele andere mittelreifen Jahrgänge – sich hervorragend entwickeln und reifen wird. Ein Interview hierzu werde ich separat auf meinem Instagram-Profil beziehungsweise auf dieser Seite veröffentlichen. Für Klaus Peter Keller, dessen bemerkenswerte Kollektion wieder zu den Besten gehört, konnte man 2024 große Weine machen, wenn man bereit war, durch rigorose Selektion und entsprechende Vorbereitung der Weinberge auf Ertrag zu verzichten.
Philipp Wittmann stimmt ebenfalls zu: “Ein kühles, eher klassisches Jahr, mit guter Versorgung der Reben: Wir haben bis zum Schluss perfekt gesunde Trauben geerntet trotz langer Hängezeiten am Stock. Und auch er ist überzeugt: ”Ein Jahrgang zum Aufheben, in einigen Jahren werden alle feststellen wie großartig und frisch die Weine sind, ähnlich wie 2002", sagt er mir.
Für Tim Fröhlich, der ebenfalls wieder zu den Besten gehört, ist 2024 ein feiner, eleganter Jahrgang mit seidiger Säure. „Zum ersten Mal seit langem hatten wir genügend Wasser und das zeigt sich in den sehr guten Extraktwerten, die bei niedrigem Alkohol die Phenole und Säure gut puffern. Wir hatten sehr homogenes Traubenmaterial und konnten sehr schnell ernten. In dreieinhalb Wochen waren wir durch. Schnellste Ernte ever. Wichtig war, sich auf die besten Trauben zu konzentrieren. Zum Glück sind wir …
Wie Sie es von mir gewohnt sind, folgt in Kürze:
- eine ausführliche Jahrgangsanalyse mit Stimmen zum Jahrgang
- ausführliche Verkostungsnotizen von Region zu Region mit Bestenlisten
- Interviews mit den führenden Winzern / Köpfen
- Best of Liste der TOP 100
- Liste der besonders empfehlenswerten Weine
- Notizen von TOP-Betrieben außerhalb des VDP
Winzer und Händler haben zudem die Möglichkeit, sich die Punkte-Badges, Verkostungsnotizen und Urkunden digital und maßgeschneidert in der bereits gut gefüllten FINE WINE GUIDE Datenbank herunterzuladen.