„Benvenuto Brunello“ ist die jährlich in Montalcino stattfindende, vom Consorzio del Vino Brunello di Montalcino organisierte Weinmesse, bei der die neuesten Brunello di Montalcino Weine präsentiert werden.

„Benvenuto Brunello“ ist die jährlich in Montalcino stattfindende, vom Consorzio del Vino Brunello di Montalcino organisierte Weinmesse, bei der die neuesten Brunello di Montalcino Weine präsentiert werden.

Brunello 2020 – die charmante Überraschung

Der Pandemiejahrgang zeigt sich überraschend homogen und mit einer ausgezeichneten Qualität. Die 2020er Brunello haben eine wunderbare Reife, mit ausdrucksstarker Frucht und betörendem Charme, gleichzeitig aber auch eine gute Struktur mit saftigem Schmelz und überraschender Frische. Trotz des warmen Jahrgangs wirken die Weine elegant und nicht überladen. Der Jahrgang wurde gut interpretiert und Überextraktion vermieden. Viele Weine zeigen sich offen und weisen auf eine frühe Trinkreife hin. Gerade im Vergleich zu den 2019er Riserva, die konzentrierter und etwas kompakter wirken.

Die globale Pandemie scheint ein Gespenst aus ferner Vergangenheit zu sein, an das wir uns nur ungern erinnern. Doch bei der Verkostung des 2020er Brunello di Montalcino und im Gespräch mit den Winzern tauchten immer wieder unvermeidliche Hinweise auf diese bizarre Zeit auf.

Insgesamt betrachtet war das Wetter nicht extrem, aber wir erinnern uns an den sehr heißen Sommer. Sowohl im Winter als auch Ende Mai/Anfang Juni gab es reichlich Regen, der den Jahrgang prägte und den Reben auf den sanften Hügeln rund um Montalcino ein relativ stressfreies Wachstum ermöglichte. 

Blick auf das mittelalterliche Städtchen Montalcino, umgeben von den sanften Hügeln der Toskana – Heimat der berühmten Brunello-Weinberge. (© Consorzio del Brunello di Montalcino)

Blick auf das mittelalterliche Städtchen Montalcino, umgeben von den sanften Hügeln der Toskana – Heimat der berühmten Brunello-Weinberge. (© Consorzio del Brunello di Montalcino)

Hier und da gab es Mehltau-Probleme. Diese Wasserreserven waren auch nötig, denn es folgte ein sehr heißer Sommer, weshalb die Frische der Weine überrascht. Das lag zum einen an den kühlen Nächten, besonders in den letzten Wochen vor der Ernte, die das Wachstum etwas verlangsamten und eine differenzierte Aromenbildung möglich machten. 

Die Nutzung der Laubwand zur Beschattung der Trauben und zum Schutz vor Sonnenbrand hatte im Weinberg höchste Priorität. Im Keller haben die Winzer der Versuchung widerstanden, die Weine zu stark zu extrahieren – wie es häufig in den 2000er Jahren üblich war. Ein erfreulicher Paradigmenwechsel, der zeigt, dass die Winzer verstanden haben, dass hier weniger mehr ist.

«Die Weine sind ein bisschen wie die aus 2015, nur mit mehr Frische», bestätigt Francesco Ripaccioli von Canalicchio di Sopra, das auf der Nordostseite der Appellation liegt. Das Weingut erzeugt hervorragende Weine, die auch in diesem Jahr zu den besten der Appellation zählen – einschließlich des Crus aus dem berühmten Montosoli-Hügel.

Anfangs drängte sich der Vergleich mit 2015 auf, denn tatsächlich zeigten viele Weine eine ähnliche mediterran-großzügige Fleischigkeit, die viele 2015er in ihrer Jugend (und auch heute noch) aufweisen. Allerdings sind sie nicht ganz so kompakt und ich finde, dass das Tanninmanagement bei den 2020ern oft besser gelöst ist: Sie sind meistens süßer und seidiger als vergleichbare Weine aus 2015, die eine etwas porösere Tannintextur aufweisen.

Auch 2016 mit seiner Frische und Hellstrahligkeit kam mir bei manchen Weinen in den Sinn. 

Fazit: Der Jahrgang mag zwar nicht an die ganz großen 2016er und 2019er heranreichen, ist aber ein bemerkenswerter Jahrgang mit vielen Top-Weinen. Das Jahr steht über dem geradlinigen, frischen, aber auch rassigen Jahrgang 2018 und den Kraftpaketen des trockenen Jahres 2017. 

Was mir daran besonders gefällt, ist die Kombination aus der großzügigen Aromatik der reifen Sangiovese-Frucht mit einer herrlichen Saftigkeit, den wunderbaren floralen und mineralisch- balsamischen Noten und als Kontrapunkt diese animierende Frische und Saftigkeit der Weine. Trotz der heißen Vegetationsperiode, in der die Temperaturen im August teilweise bis zu 40 Grad Celsius erreichten (fünf Tage hintereinander), wirken die Weine weder marmeladig noch überladen, sondern wohlproportioniert, strahlend, saftig und ungemein lebendig mit guter Balance. 

Einige Brunello-Winzer führen diese Frische auf die nächtlichen Schwankungen während der kurzen Hitzeperiode zurück, als die Temperaturen am frühen Morgen auf rund 25 Grad Celsius fielen. Vereinzelte Regenfälle Ende August und Anfang September brachten den Reben Erleichterung und ließen sie wieder wachsen. Außerdem waren die nach Norden ausgerichteten und höher gelegenen Weinberge weniger von der Hitze betroffen und widerstanden der Trockenheit besser.

Natürlich ist Montalcino kein homogenes Terroir, sondern vielfältig, vor allem wegen der unterschiedlichen Höhenlagen, Expositionen und Bodenbeschaffenheiten.

Die nördlichen Hänge von Montalcino mit ihren kühleren Lehmböden bringen häufig duftige und elegante Weine hervor, während die Weine der südlichen Gebiete eher von mediterraner Wärme und salzigen Nuancen geprägt sind. Zusammen ergeben sie einen charmanten und überraschenden Jahrgang, der genügend Struktur hat, um gut zu altern.

Die Outperfomer: Stars, Klassiker und Newcomer

Ausgezeichnet waren einmal mehr die Weine der Stars wie Canalicchio di Sopra mit einem herausragenden «La Casaccia» und einer ebenso großen Riserva, Salvioni mit einem großen Klassiker, Casanuova delle Cerbaie mit einer atemberaubenden Riserva Vigna Montosoli, Casanova di Neri mit seiner Annata und Cru Tenuta Nuova, ebenso Poggio di Sotto mit ebenso großer Riserva, um nur die prominentesten zu nennen. Ebenso zur Spitze zählen die Klassiker Fuligni, Talenti und Le Ragnaie, die unter anderem mit ihren teils bis auf über 600 Höhenmetern befindlichen Einzellagen im Besitz der am höchsten gelegenen und kühlsten Lagen Montalcinos brillieren. Das sind großartige Finessenstücke, die hier noch wenig bekannt sind.

Magisches Trio: Die großen Stars unter sich

Magisches Trio: Die großen Stars unter sich

Talenti: Der Annata, der Cru-Wein sowie die Riserva überzeugten gleichermaßen.

Talenti: Der Annata, der Cru-Wein sowie die Riserva überzeugten gleichermaßen.

Canalicchio di Sopra: Erneut mit einer herausragenden Kollektion.

Canalicchio di Sopra: Erneut mit einer herausragenden Kollektion.

Zur Spitze der Appellation gehört auch das von Berater Carlo und seiner Tochter Bianca Ferrini geführte Weingut Giodo.

Zur Spitze der Appellation gehört auch das von Berater Carlo und seiner Tochter Bianca Ferrini geführte Weingut Giodo.

TOP-Aufsteiger Giuseppe Gorelli

Der Top-Aufsteiger der vergangenen Jahre ist Giuseppe Gorelli, der erneut einen großen Brunello Annata und Riserva auf die Flasche gebracht hat und längst gehört auch Giodo, das von Berater Carlo und seiner Tochter Bianca Ferrini geführte Gut, zur Spitze der Appellation. 

Giuseppe Gorelli mit seiner Frau Margherita

Giuseppe Gorelli mit seiner Frau Margherita

Ebenfalls beachtlich sind die Weine von Klassikern wie Argiano, Ciacci Piccolomini d‘Aragona, Capanna, Lisini und diesmal gefielen mir auch die Weine von Fanti («Vallochio») und Mastrojanni, wo die junge Önologin Giulia Härri sehr elegante, präzise konturierte und duftige Weine produziert. Die im Rahmen einer von mir auf der ProWein moderierten Masterclass besprochenen Weine von Gaja's Brunello-Weingut Pieve Santa Restituta (Annata + Cru-Weine Sugarille und Rennina) gehören ebenfalls zu den großen Klassikern. Über diese spannende Masterclass mit Vertikale der beiden Crus werde ich separat berichten. Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis findet man wie so oft bei Col d‘ Orcia, Caparzo, Caprili, Banfi und Il Poggione

Neues Bewertungsschema

Ab der Benvenuto Brunello 2024, der bestens organisierten En-Primeur-Verkostung, gibt es ein neues Bewertungssystem für die Qualität des Jahrgangs. An die Stelle der bisherigen Sterne (1 bis 5) ist unter dem Namen «Brunello Forma» ein komplexes Werk getreten, das unzählige geoklimatische Daten von mehr als 40 Messstationen auswertet, die über das ganze Anbaugebiet verteilt sind. Das Ergebnis ist ein Labor, das in der Lage ist, die Ernte - ergebnisse und die Eigenschaften des Sangiovese im Gebiet von Montalcino punktuell zu untersuchen und nach geologischen und mikroklimatischen Besonderheiten differenziert zu analysieren. Darüber hinaus bewertet ein internationales Verkosterteam die Qualität des Jahrgangs. Das Fazit: «Fesselnd, leuchtend, saftig». Er vereine Großzügigkeit mit Eleganz und biete Weine, die zugänglich sind, deren Tannin aber auch interessante Entwicklungen verspricht. Also decken sich die Eindrücke mit meiner Jahrgangsanalyse.

Fabrizio Bindocci, der damalige Präsident des Consorzio und seine Marketing-Chefin Carlotta Salvini stellten das neue Bewertungssystem vor.

Fabrizio Bindocci, der damalige Präsident des Consorzio und seine Marketing-Verantwortliche Carlotta Salvini stellten das neue Bewertungssystem vor.

Erstmals seit einigen Jahren durften Besucher und Fachleute direkt bei den Produzenten verkosten – mit persönlicher Führung und Gesprächen.

Erstmals seit einigen Jahren durften Besucher und Fachleute direkt bei den Produzenten verkosten – mit persönlicher Führung und Gesprächen.

Benvenuto Brunello 2024 ist weit mehr als eine Weinmesse – es ist das jährliche Stelldichein der Brunello-Welt mit internationaler Strahlkraft.

Benvenuto Brunello 2024 ist weit mehr als eine Weinmesse – es ist das jährliche Stelldichein der Brunello-Welt mit internationaler Strahlkraft.

Die besten Brunello-Weine finden Sie ausführlich und detailliert beschrieben in der brandneuen FINE WINE GUIDE Datenbank.

Hintergrundwissen: Montalcinos vielfältiges Terroir

Höhenlage, Wind, Böden

Ein großer Unterscheidungsfaktor mit entscheidendem Einfluss auf die Jahrgangsqualitäten ist die Höhenlage und die Exposition. Denn in Montalcino wächst der Sangiovese nämlich zwischen 200 und rund 600 m.ü.M. und je höher die Reben liegen, desto später findet der Reifungsprozess statt, was dazu führt, dass die Weine nicht nur in der Farbe, sondern auch in ihrer Aromatik «heller» und frischer schmecken – mit nicht selten knackiger, rotbeeriger Frucht, die an Himbeere und Granatapfel erinnert.

Zudem spielt der Wind eine große Rolle: In Montalcino ist es regelmäßig windig. Denn das idyllische Dorf thront auf einem Hügel und ist somit den kühlen Nordwinden und der milden südwestlichen Meeresbrise ausgesetzt, was beste Bedingungen für die Gesundheit der Weinstöcke schafft. Das war unter anderem in feuchteren Jahrgängen wie
2018 ein Segen, da die Trauben schnell abtrockneten. Im schwierigen Peronospora-Jahrgang 2023 war dies jedoch nur bedingt erfolgreich.

Die Böden: Der größte Teil von Montalcino besteht aus Mergel mit mehr oder weniger aktivem Kalkgehalt, tonhaltigen Böden, Pietraforte (kalkhaltiger Sandstein) sowie in den eher südlichen Teilen auch aus Sand. Tonhaltige Böden bringen Körper und Langlebigkeit, sandige Böden explosive Aromen und leichtere Tannine, der kalkhaltige Schieferton bringt Mineralität und Salzigkeit in die Weine.

Norden und Süden

Und natürlich muss man auch hier die unterschiedlichen Expositionen im Auge behalten, denn Montalcino hat vier Bereiche und die Weine fallen – jenseits von individuellen Stilen und Jahrgangsdiversität – unterschiedlich aus. Im Grundsatz muss man Montalcino In vier Quadranten einteilen: Nordost und Nordwest und wiederum das gleiche im Süden. Im Norden ist das Klima etwas rauer und die Nächte sind kühler, was sich natürlich in der Aromatik und der Tanninstruktur zeigt. 

Generell gesprochen sind die Weine aus dem Norden, vor allem aus dem Nordosten an den Hängen des Montosoli-Hügels, in der Regel eleganter, griffiger und kristalliner im Ausdruck. Sie zeigen tendenziell knackigere roten Beeren wie Sauerkirsche und Granatapfel und haben einen etwas festeren Tanningriff, manchmal sind sie aber eben auch etwas unreifer und kantiger, was eine längere Flaschenreife erfordert und ermöglicht. 

Im Süden reckt sich der erloschene Vulkan Monte Amiata in die Höhe, die toskanische Küste ist nur 60 km Luftlinie entfernt. Dort befinden sich die wärmeren Lagen, in denen sich die Reben in der Sonne aalen und gerade so viel Regen abbekommen, dass sich genügend Zucker in den Früchten entwickeln kann. In trockenen Jahren kann dies allerdings zur Herausforderung werden.

➜ Die Verkostungsnotizen der besten Brunello Weine und Rosso di Montalcino finden Sie als Abonnent – zusammen mit älteren Jahrgängen – in unserer brandneuen Datenbank mit einfachster Bedienung!